Ein neues Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.08.2018 (Aktenzeichen B 11 AL 15/17 R) beendet eine Rechtspraxis, die in der Vergangenheit vor Allem für ältere Arbeitnehmer erhebliche Nachteile bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages nach sich ziehen konnte:
Ältere Mitarbeiter mit langen Jahren der Betriebszugehörigkeit und entsprechend verlängerten Kündigungsfristen ziehen es bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages oftmals vor, statt einer Abfindung eine bezahlte Freistellung zu vereinbaren. Dies geschieht in vielen Fällen vor dem Hintergrund, den nahen Zeitpunkt bis zur Erreichung des Renteneintrittsalters besser zu überbrücken. In diesem Fall einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten, in der ferneren Zukunft liegenden Zeitpunkt. Dabei wird bis zu Beendigung das vertragsgemäße Gehalt weiter gezahlt, der Arbeitnehmer ist jedoch von der Verpflichtung befreit, seine Arbeitsleistung erbringen zu müssen. Meistens verlängert man die ohnehin schon lange Kündigungsfrist um weitere Monate. So kann es dazu kommen, dass Arbeitnehmer teilweise zwei Jahre oder länger freigestellt sind, bevor das Arbeitsverhältnis tatsächlich endet.
Bei der anschließenden Arbeitslosmeldung kam es dabei in der Vergangenheit leider zu einer Konsequenz, die von Laien kaum nachvollzogen werden kann und wohl als „grob ungerecht“ bezeichnet werden muss: Obwohl das Arbeitsentgelt ganz normal abgerechnet worden ist und der Arbeitgeber auch alle Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich jener zur Arbeitslosenversicherung abgeführt hat, sollten diese bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes unberücksichtigt bleiben. Wie wurde diese Praxis begründet? Grundsätzlich ist es so, dass sich die Höhe des Arbeitslosengeldes gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III errechnet nach dem Bruttoentgelt, das der Arbeitnehmer im Durchschnitt innerhalb des Bemessungszeitraums erzielt hat. Der maßgebliche Bemessungszeitraum erstreckt sich gemäß § 150 Abs. 1 SGB III auf die versicherungspflichtige Beschäftigung während des Bemessungsrahmens von einem Jahr.
Einige Landessozialgerichte (LSG), u. a. jenes in Berlin-Brandenburg, waren nun der Auffassung, dass in der Phase der Freistellung kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 150 SGB III mehr gegeben ist, mit der Konsequenz, dass der in dieser Zeit gezahlte Verdienst nicht als Bemessungsentgelt anzusehen ist. Aus diesem Grunde wurde gemäß § 150 Abs. 3 SGB III der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert. Dies wiederum führte dann dazu, das der Berechnung des Arbeitslosengeldes das fiktive Arbeitsentgelt gemäß § 152 SGB III zugrunde gelegt wurde, das in der Regel wesentlich geringer war als das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt. Auch wenn diese Rechtsprechung nicht bundesweit bei allen Landessozialgerichten vertreten war, schrieb auch die Bundesagentur für Arbeit in ihren Dienstanweisungen vor, dass die Freistellungsphase nicht berücksichtigt werden durfte.
Diese Praxis führte somit dazu, dass ein Arbeitnehmer, der über einen längeren Zeitraum freigestellt war, weniger Arbeitslosengeld erhielt als ein Kollege, der bis zum Schluss tatsächlich gearbeitet hat, obwohl beide Arbeitnehmer Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in der gleichen Höhe gezahlt haben.
Das Bundessozialgericht hat nun mit seinem Urteil dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben. Die Ermittlung des Arbeitslosengeldes erfolgt jetzt nach den gleichen Grundsätzen, egal, ob der Arbeitnehmer nun tatsächlich bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gearbeitet hat oder freigestellt war.
Sofern mit dem Arbeitgeber ein Aufhebungsvertrag geschlossen werden soll, kann ein Arbeitnehmer von nun an also „frei“, ohne die Befürchtung, in diese Falle zu tappen, verhandeln. Zu beachten ist lediglich, ob durch die konkrete Vertragsgestaltung nicht eine Ruhenszeit oder Sperrzeit bei dem Bezug von Arbeitslosengeld angeordnet wird. In vielen Fällen lässt sich dies jedoch durch eine entsprechende Vertragsgestaltung vermeiden. Jedem Arbeitnehmer, der sich mit dem Gedanken trägt, einen Aufhebungsvertrag zu schließen, kann daher nur dringend angeraten werden, einen qualifizierten Anwalt für Arbeitsrecht aufzusuchen. Nicht selten wird der vermeintliche Vorteil eines Aufhebungsvertrages durch die anschließenden Einbußen bei dem Bezug von Arbeitslosengeld zunichte gemacht. Dies kann jedoch in vielen Fällen erfolgreich vermieden werden.