Kündigung? Was bei Arbeitsunfähigkeit erlaubt ist.
Weit verbreitet ist die (Fehl-) Vorstellung, Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit bedeute soviel wie „bettlägerig“ und der Arbeitnehmer dürfe nicht am normalen sozialen Leben teilnehmen. Ist das richtig? In der Schweiz sorgte kürzlich folgender Fall für Aufsehen: Eine Arbeitnehmerin wurde gekündigt, weil sie trotz Krankschreibung Einträge bei „Facebook“ postete. Sie hatte zuvor Ihrem Arbeitgeber gegenüber angegeben, wegen einer Migräne im Dunkeln liegen zu müssen und nicht am Bildschirm arbeiten zu können. Der Chef war der Meinung, wer im Internet surft, könne auch sonst am Bildschirm arbeiten und kündigte.
Wäre diese Kündigung nach deutschem Arbeitsrecht wirksam? Was hat ein Arbeitnehmer eigentlich bei Krankheit zu beachten?
Zunächst ist zu bedenken, dass „arbeitsunfähig krank“ bedeutet, dass ein Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Deshalb sind Krankheit und Inhalt der Arbeitspflicht miteinander in Beziehung zu setzen. Somit kann eine Verletzung am kleinen Finger durchaus eine Arbeitsunfähigkeit für einen angestellten Orchestermusiker bedeuten, jedoch nicht für einen Pförtner.
Der erkrankte Mitarbeiter hat dann alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte bzw., er darf den Heilungserfolg nicht durch genesungswidriges Verhalten gefährden.
Danach dürfte der im Beispielsfall am kleinen Finger verletzte Orchestermusiker wohl sein normales soziales Leben fast uneingeschränkt weiter führen und z. B. shoppen, Restaurants besuchen, ins Kino gehen etc.
So hat u. a. auch das Arbeitsgericht Stuttgart in einem Urteil vom 22. März 2007 (9 Ca 475/06) folgendes entschieden: „Die Teilnahme an einem Marathonlauf während der Arbeitsunfähigkeit stellt kein genesungswidriges Verhalten dar, das eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt, wenn der vom Arbeitnehmer zuvor konsultierte Arzt eine Gefährdung ausgeschlossen hat und eine konkrete Verzögerung des Genesungsverlaufs tatsächlich nicht eingetreten ist.“
In einem anderen Fall hat allerdings das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 02.03.2006 – 2 AZR 53/05) die fristlose Kündigung des Arbeitnehmers bestätigt: Ein angestellter Arzt (beschäftigt als beratender Arzt für Krankenkassen und ärztlicher Gutachter für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen) war wegen einer Gehirnhautentzündung arbeitsunfähig krank geschrieben. Eine Bitte seiner Vorgesetzten, an einer Weiterbildung teilzunehmen, lehnte er unter Hinweis auf krankheitsbedingte Konzentrationsschwierigkeiten ab. Trotzdem fuhr er (immer noch während der Arbeitsunfähigkeit) in den Ski-Urlaub und brach sich bei einem Ski-Kurs das Schien- und Wadenbein, was zu einer erheblichen Verlängerung seiner Arbeitsunfähigkeit führte.
Der Ausgangsfall der surfenden Mitarbeiterin wäre dann wohl so zu lösen, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt wäre. Zu berücksichtigen wäre nämlich auch, dass während eines Migräneanfalls (evtl. auch wegen der eingenommenen Schmerzmittel) die Konzentrationsfähigkeit stark eingeschränkt ist, die Arbeit, aber fehlerfrei erfolgen muss. Zu Hause privat surfen ginge unter diesen Umständen aber schon.
Fazit: Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Missachtet er diese Verhaltensregeln, kann u. U. eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
Für den Fall, dass der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen hat und Sie sich hiergegen wehren wollen, müssten Sie innerhalb von 3 Wochen eine Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben:
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Bettina Diedrich
Rechtsanwältin und
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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